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Berliner Zeitung
Für die Sicherheit Israels kooperieren wir sogar mit dem Teufel In einer Villa in Pullach bei München, in der einst Hitlers Parteikanzleichef Martin Bormann residierte, besiegelten an einem Wintertag Anfang der 60er-Jahre ein früherer Nazi-Geheimdienstchef und ein Überlebender des Holocaust die geheime Zusammenarbeit des deutschen Bundesnachrichtendienstes mit dem israelischen Mossad.
08.01.2000
Magazin -Seite M6
Shlomo Shpiro
Die Wache an der Einfahrt zum Gelände des Bundesnachrichtendienstes in Pullach nimmt Haltung an, als die zwei Autos das Tor erreichen. Ein kurzer flüchtiger Blick ins Wageninnere, dann öffnet sich die Einfahrt zu dem Gelände. Die beiden Fahrzeuge rauschen über eine Betonstraße, vorbei an Elektrozäunen und Wachhunden. Vor der "Doktor-Villa", wo einst Hitlers Parteikanzleichef Martin Bormann residierte, stoppen die Wagen. Dem ersten Auto entsteigt ein kleiner, unscheinbarer Mann, stapft durch den Schnee auf eine Gruppe wartender Männer zu und wird von ihnen mit Handschlag begrüßt.
Die streng geheime Begegnung in der ehemaligen "Rudolf-Heß-Siedlung" an der Pullacher Heilmannstraße, seit 1955 Domizil des Bundesnachrichtendienstes (BND), fand im Winter 1960/61 statt. Es war die Hochzeit des Kalten Krieges. Das Treffen, dessen genaues Datum und Zustandekommen bis heute so gut wie nicht bekannt geworden ist, markiert einen historischen Schnitt in den Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem damals noch jungen Staat Israel.
Denn der kleine Mann, der so respektvoll von der BND-Führung in Pullach empfangen wurde, war Isser Harel, Chef des israelischen Nachrichtendienstes Mossad. Sein Besuch galt Reinhard Gehlen, dem damaligen Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) und früheren Chefspion Hitlers im Wehrmachtsgeheimdienst Fremde Heere Ost. Der Besuch war der offizielle Beginn einer kurz zuvor zaghaft begonnenen geheimdienstlichen und militärischen Kooperation zwischen Deutschland und Israel, die nun schon mehr als vier Jahrzehnte andauert.
Als das Treffen in Pullach stattfand, unterhielten Israel und Deutschland trotz des Wiedergutmachungsabkommens von 1952 keine offiziellen Beziehungen. Die öffentliche Meinung im Judenstaat war dagegen zu frisch waren noch die Erinnerungen an den Holocaust, dem Millionen von Juden zum Opfer gefallen waren. Israelische Pässe trugen den Stempel "Zugelassen für alle Staaten außer Deutschland".
Unter den israelischen Geheimdienstoffizieren waren aber viele, die bei allem Schmerz über die Vergangenheit schon an die Zukunft dachten. Sie waren überzeugt, dass die Beziehungen nach Deutschland entscheidend sein würden für die Sicherheit ihres jungen Staates und eine erfolgreiche Geheimdienstarbeit.
Und auch beim BND gab es nicht wenige, die sich für eine Liaison mit dem Mossad zu interessieren begannen. Gehlen hatte vor allem der Anteil des Mossad am erfolgreichen Sinai-Feldzug der Israelis beeindruckt. Auch wusste er um das fein gesponnene Netz von israelischen Agenten in Osteuropa, von deren Erkenntnissen er gern profitieren wollte.
Schließlich war es Gehlen, der die Initiative übernahm. Er beauftragte einen Vertrauensmann, Deckname "Dr. Schmidt", den Kontakt mit den Israelis zu suchen und das Interesse der Deutschen für eine Zusammenarbeit zu signalisieren.
Der Mossad-Chef Harel, der viele Angehörige durch den Holocaust verloren hatte, sah zwar das Potenzial für eine Zusammenarbeit. Aber er war gleichzeitig besorgt über die sowjetische Infiltration des Gehlen-Dienstes und die engen Beziehungen Pullachs zu arabischen Staaten. Harel billigte deshalb zunächst eine begrenzte Zusammenarbeit, um die Möglichkeiten und die Aufrichtigkeit des BND zu testen, den Mossad bei Operationen in Osteuropa zu unterstützen.
Harel ließ dazu zunächst BND-Agenten beauftragen, bestimmte Informationen zu sammeln und sie Israel zukommen zu lassen. Tatsächlich lagen diese Informationen dem Mossad aber bereits vor. Auf diese Weise wollten die Israelis die Zuverlässigkeit der Deutschen testen.
Der Test erbrachte zufrieden stellende Ergebnisse. Also beschloss Harel, eine engere Kooperation mit dem BND einzugehen.
Die Möglichkeiten dieser Zusammenarbeit waren auch der Gegenstand jenes Geheimtreffens im Winter in Pullach. "Es war eine seltsame Situation, die ich dort erlebte", erinnert sich Harel in einem Gespräch an die Zusammenkunft. Die Wachen am Tor, die Elektrozäune und die Hunde auf dem Gelände all das habe ihn an ein Konzentrationslager erinnert. Zwischen ihm und Gehlen habe eine Distanz geherrscht, die nicht nur von Respekt getragen worden sei. Doch die Unterschiede und Antipathien zwischen den beiden Geheimdienstchefs standen einer Kooperation nicht im Wege verband Gehlen und Harel doch ihr strenger Antikommunismus und der Wille, gemeinsam gegen die kommunistische Bedrohung in Europa und im Mittleren Osten zu kämpfen.
Dennoch war die Zusammenarbeit heikel. Eines der Hauptprobleme war die Präsenz vieler Offiziere aus Hitlers Geheimdiensten in Gehlens BND, die dort meist leitende Funktionen inne hatten. Auch hatte Gehlen eine Reihe von bekannten Nazis als inoffizielle BND-Mitarbeiter in arabische Staaten entsandt, wo sie wegen ihrer in der Vergangenheit unter Beweis gestellten antisemitischen Haltung mit offenen Armen empfangen wurden.
"Darüber gab es bei uns viele Diskussionen", sagt Isser Harel. Das sei manchmal sogar so weit gegangen, dass er mit der Faust auf den Tisch schlug und seine Leute anbrüllte, "dass ich ihnen sogar befehlen würde, mit dem Teufel zu kooperieren, wenn es der Sicherheit des Staates Israel dienen würde. Wir einigten uns im Mossad schließlich darauf, dass die künftige Sicherheit Israels, das von seinen viel stärkeren arabischen Nachbarn bedroht wurde, wichtiger war als alle unsere Gefühle über die Vergangenheit. " Der Mossad fand sogar Wege, ehemalige Nazis für seine Ziele einzuspannen. So arbeitete Otto Skorzeny, Hitlers Lieblingsoffizier, der während des Krieges in einer tollkühnen Aktion Mussolini aus dessen Gefangenschaft auf dem Gran Sasso befreit hatte, als Waffenhändler für den BND und den Mossad in Madrid. Auch lieferte er beiden eine Vielzahl von Informationen aus dem Milieu der "alten Kameraden".
Doch Skorzeny blieb nicht der einzige Nazi, der mit dem Mossad kooperierte. Nach der spektakulären Entführung von Adolf Eichmann durch den Mossad in Argentinien erkannten viele Nazis, dass sie vielleicht durch eine Zusammenarbeit mit dem Mossad einem solchen Schicksal entgehen könnten.
Die Kooperation zwischen BND und Mossad vertiefte sich nach dem Harel-Besuch in Pullach. Immer häufiger waren Mossad-Offiziere willkommene Gäste in der "Rudolf-Heß-Siedlung" und der "Doktor-Villa" von Martin Bormann, in der jetzt der BND-Präsident residierte.
Gehlens größter Wunsch, selbst einmal im Hauptquartier des israelischen Geheimdienstes begrüßt zu werden, wurde dagegen nicht erfüllt: Die Israelis wollten den Skandal vermeiden, den es gegeben hätte, wenn herausgekommen wäre, dass ein ehemals führender Geheimdienstchef Hitlers im Judenstaat empfangen wurde.
Als Verbindungsoffizier zum Mossad setzte Gehlen seinen langjährigen Adjutanten, General Wolfgang Langkau, ein. Langkau, dessen Dienstname im BND "Langendorf" lautete, war ein hochtalentierter Offizier, der um die Bedeutung Israels für den BND wusste und daher gemeinsame Operationen zwischen beiden Diensten nach Kräften förderte.
Auf der israelischen Seite war der Mossad-Resident in Paris, Shlomo Cohen, für die Zusammenarbeit verantwortlich. Cohen, in Hamburg geboren und ein begnadeter Maler, hatte lange Jahre in Ägypten unter dem Decknamen Jacques Duclos gearbeitet. Tatsächlich hängen noch heute einige Bilder von Duclos in der Ägyptischen Nationalgalerie.
Cohen war ein Meister der so genannten "false-flag operations" (Operationen unter falscher Flagge). Dabei wurden Agenten für den Mossad angeworben, jedoch im Glauben gelassen, sie arbeiteten für ein anderes Land. Geduldet und gefördert vom BND rekrutierte Cohen eine Reihe von arabischen Diplomaten in Bonn, die glaubten, sie arbeiteten für die Nato.
Der BND half auch dabei mit, Mossad-Agenten für einen Einsatz in den arabischen Staaten auszubilden. In einem "sicheren Haus" in München wurden die Mossad-Offiziere in Spionage, Funkverkehr, Geheimschrift und Dokumentenfälschung ausgebildet. Gehlen selbst nahm am Pistolenschießen mit den Mossad-Agenten auf der BND-eigenen Schießbahn teil.
Israel profitierte aber auch noch auf einem anderen wichtigen Gebiet von der Kooperation des Mossad mit dem BND bei der Aufrüstung des Judenstaates. Die streng geheimen Waffenlieferungen der Bundesrepublik an Israel wurden schon damals durch den Gehlen-Dienst abgedeckt. Dabei zog von Anbeginn an einer der für den BND wichtigsten Politiker die Fäden der spätere CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß. Strauß, damals Bundesverteidigungsminister in Bonn, empfing Ende 1958 mehrmals seinen israelischen Amtskollegen Shimon Peres zu vertraulichen Gesprächen in seinem Privathaus in Zell am See. In der Folge dieser Gespräche gingen deutsche Panzer und Militärfahrzeuge über Drittländer an Israel.
So wurden Panzer, getarnt als zivile Handelslieferungen, nachts im Hamburger Hafen verladen. In Rotterdam lud man die Tanks auf israelische Schiffe um.
Geheime Absprachen erfolgten auch mit Politikern in Italien, wo deutsche Panzer für israelische Bedürfnisse umgebaut wurden. So lieferte Deutschland klammheimlich amerikanische M-48-Panzer nach Italien. Dort hatte der Geheimdienst schon alles vorbereitet, um in der Rüstungsfabrik von Breda die Bewaffnung der Tanks gegen großkalibrigere Kanonen auszutauschen.
Auch mit Frankreich gab es Absprachen zur heimlichen Aufrüstung der Israelis. Danach bezahlte die Bundesregierung Frankreich Geld für die Lieferung von Helikoptern und Flugzeugen, die offiziell aber als französische Hilfeleistung gekennzeichnet waren.
BND und Mossad hatten darauf zu achten, dass die Lieferungen geheim und auch befreundeten Staaten verborgen blieben. Nichts wurde daher schriftlich festgehalten, alle Gelder flossen über Bankkonten, die von Agenten beider Geheimdienste unterhalten wurden. Die gelieferten Waren hatte man so manipuliert, dass nichts auf ihre deutsche Herkunft hinwies.
Ein Bespiel für die strikte Geheimhaltung war die Lieferung zweier Schnellboote von der Burmester-Werft in Bremen an die israelische Marine Ende der 50er-Jahre. Bis zu ihrer Außerdienststellung im Jahre 1980 galten die damals hochmodernen Boote als Produkte einer israelischen Werft. Niemandem fiel offenbar auf, dass Israel Ende der 50er-Jahre überhaupt noch keine Schiffbauindustrie besaß.
Franz Josef Strauß, der bei dieser Zusammenarbeit der beiden Geheimdienste eine Schlüsselstellung inne hatte, wollte mit dieser Kooperation nicht nur die Beziehungen zum jüdischen Staat nach dem Holocaust aufbauen. Er verstand sie vor allem auch als Investition in die Zukunft der deutschen Rüstungsindustrie, weshalb er sich persönlich sehr stark engagierte.
Ein extremes Beispiel dafür ist folgende bislang unbekannte Episode: An einem Abend Anfang der 60er-Jahre rollte eine dunkle Mercedes-Limousine vor das Tor der israelischen Mission in Köln. Die Fenster des Wagens waren mit Gardinen verhangen. Als die Wachen zu dem Fahrzeug gingen, bat der Fahrer, den Verbindungsoffizier des Mossad, Herrn Y. , zu holen. Als Y. kam, stieg der Fahrer aus und übergab ihm einen großen Gegenstand, der in einen Mantel eingewickelt war. "Das ist für die boys in Tel Aviv", sagte der Mann, stieg in sein Auto und fuhr davon.
Der Fahrer der Mercedes-Limousine war Franz Josef Strauß, und er hatte dem Mossad-Residenten eine Panzergranate übergeben, die in Deutschland entwickelt worden war.
Am 6. November 1961 wurde Heinz Felfe, einer von Gehlens engsten Mitarbeitern und zuständig für die Analyse östlicher Geheimdienste, wegen Spionage für den KGB verhaftet. Felfe, ein früherer SS-Obersturmbannführer, hatte seit zehn Jahren als Maulwurf des KGB praktisch das gesamte Spionagenetz des BND in Osteuropa verraten. Die Person, die Felfe überführte, war General Langkau der Verantwortliche für die Zusammenarbeit mit dem Mossad.
Die Kooperation der beiden Geheimdienste gewann nun an zusätzlicher Bedeutung. Über Nacht hatte der BND die meisten Quellen hinter dem Eisernen Vorhang verloren. Felfes Verrat war so umfassend, dass ganze Abteilungen im Pullacher Bundesnachrichtendienst mit einem Mal keine Agenten mehr hatten, von denen sie Informationen bekommen konnten.
Gehlen und Langkau stimmten darin überein, dass sie, bis der BND ein neues Agentennetz im Osten aufgezogen haben würde, auf die Hilfe anderer Dienste zurückgreifen mussten, um der politischen Führung in Bonn auch weiterhin aktuelle Informationen zukommen zu lassen. Doch Gehlen zögerte, mit den Briten oder Franzosen zusammenzuarbeiten, die er als Konkurrenten ansah.
Deshalb setzte er auf den Mossad. Gehlen bot den Israelis Unterstützung auf allen Gebieten an. Er offerierte dem Mossad sogar Kopien des täglichen BND-Lageberichts an den Bundeskanzler, das höchstklassifizierte Dokument in der deutschen Regierung. Als Gegenleistung wünschte sich der BND-Chef Informationen aus der DDR und dem Warschauer Pakt. Auch bot er dem Mossad Unterstützung und völlige Freiheit für dessen geheimdienstliche Aktivitäten in Deutschland an.
Besonders Letzteres war für den Mossad von großer Bedeutung. Denn die Israelis hatten erfahren, dass in den späten 50er-Jahren eine Reihe von deutschen Raketenwissenschaftlern durch den ägyptischen Geheimdienst angeworben worden waren. Diese Wissenschaftler hatten im Hitler-Deutschland am V2-Programm in Peenemünde mitgewirkt. Die Ägypter waren dabei, ein umfangreiches Raketenprogramm zu entwickeln, mit dem sie die großen Städte Israels bedrohen und in einem Krieg bombardieren wollten. Während die Herstellung der Raketen von deutschen Spezialisten in Ägypten geleitet wurde, erfolgte die Forschung und Entwicklung der Technologie an Instituten in Deutschland, die zudem noch Gelder von der Bundesregierung erhielten.
Harel betrachtete diese Aktivitäten als ein großes Risiko für die Sicherheit Israels. Ausgerüstet mit chemischen oder biologischen Sprengköpfen, könnten diese Raketen verheerende Schäden unter der israelischen Bevölkerung anrichten. Harel wies deshalb seine Leute an, die wichtigsten Wissenschaftler aufzuspüren und "sie davon abzuhalten, ihre Arbeit zu vollenden", wie er sagt.
Die Recherchen führten die Mossad-Agenten zu einer Firma in Stuttgart mit dem Namen Intra, ein ägyptisches Tarnunternehmen, das die Zusammenarbeit mit den Deutschen bei der Raketenforschung koordinieren sollte. Harel sah das Problem als ein politisches an und bat Premierminister David Ben-Gurion, einen strengen Protest an Bundeskanzler Adenauer zu senden. Ben-Gurion aber, der die geheimen Waffenlieferungen Deutschlands an Israel nicht aufs Spiel setzen wollte, lehnte den Vorschlag ab. Harel gab daraufhin seinen Posten als Mossad-Chef auf, sein Nachfolger wurde Meir Amit.
Amit, der zuvor dem Militärgeheimdienst vorstand, wies ein ruhiges, aber effektives Ende des "Wissenschaftler-Problems" an. Zum Einsatz kam ein hoch spezialisiertes "hitsquad", ein Einsatzkommando des Mossad, das eine Reihe von Anschlägen gegen die am Raketenprogramm der Ägypter beteiligten Wissenschaftler in Deutschland ausführte.
Ungeklärt ist bis heute, wer das "hitsquad" leitete. Unbelegt, aber auch nicht widerlegt, ist die Behauptung, der spätere israelische Ministerpräsident Shamir habe damit etwas zu tun gehabt. Fest steht, dass Shamir seinerzeit von Harel für den Mossad rekrutiert wurde und eine nicht näher bezeichnete "Sondereinheit" in Paris leitete.
Einige der Wissenschaftler, die in das ägyptische Raketenprogramm involviert waren, verschwanden nach Amits Dienstantritt spurlos. So zum Beispiel der Chef der Firma Intra, der im September 1962 über die Mittagszeit sein Büro verließ und nie mehr wiederkommen sollte. Sein Schicksal ist bis heute ungeklärt.
Auf andere Wissenschaftler wurden Anschläge verübt. Eine Briefbombe explodierte im Büro eines Professors, der in Ägypten arbeitete. Seine Sekretärin wurde dabei schwer verletzt. Ein Ingenieur wurde in Süddeutschland in eine Schießerei verwickelt, er konnte nur knapp dem "hitsquad" entkommen. Andere Beteiligte am Raketenprogramm wurden über ihre in Deutschland lebenden Familien eingeschüchtert.
Gehlen blieben die Aktivitäten des Mossad in Deutschland nicht verborgen. Aber er wies seine Leute an, nichts zu unternehmen, denn die Unterstützung seines BND durch den israelischen Dienst wollte er auf keinen Fall aufs Spiel setzen.
Die Aktionen des Mossad trugen letztlich wesentlich dazu bei, dass bis 1964 die meisten deutschen Wissenschaftler Kairo verließen und sich vom ägyptischen Raketenprogramm zurückzogen. Obwohl die damals entwickelten Raketen im Yom-Kipur-Krieg von 1973 gegen Israel eingesetzt wurden, richteten sie nicht den befürchteten Schaden an das fehlende Navigationssystem der Raketen verhinderte, dass sie einen entscheidenden Einfluss auf den Ausgang des Krieges nahmen.
Die geheimen Beziehungen zwischen BND und Mossad begannen an jenem Wintertag in Pullach. Als die beiden so unterschiedlichen Männer der einstige Chefspion der Nazis und der Jude, der seine Angehörigen durch den Holocaust verloren hatte übereinkamen, die Vergangenheit zwar nicht zu vergessen, darüber hinaus aber in die Zukunft zu blicken. Sowohl Israel als auch Deutschland profitieren bis heute in enormer Weise von der geheimen Kooperation nicht nur auf dem Gebiet der Spionage, sondern auch auf dem langen Weg der beiden Völker, die Vergangenheit zu überwinden und gemeinsam an einer besseren Zukunft zu arbeiten.
Dr. Shlomo Shpiro ist Assistant Professor an der Bar-Ilan Universität, Tel Aviv, Israel. Seine Spezialgebiete sind Medien, Sicherheitspolitik und Geheimdienste.
Gehlen und Harel verband ihr Antikommunismus und der Wille zum Kampf gegen die kommunistische Bedrohung.
Harel wies an, die Wissenschaftler davon abzuhalten, ihre Arbeit für Ägypten zu voll-enden.
GEHEIME AUFRÜSTUNG Von der Anfang der 60er-Jahre durch den Mossad-Chef Isser Harel und den damaligen BND-Präsidenten Reinhard Gehlen beschlossenen Kooperation beider Geheimdienste versprach sich Israel vor allem militärische Vorteile in seinem Verteidigungskampf gegen die arabischen Nachbarstaaten. Tatsächlich half der deutsche Bundesnachrichtendienst mit Strohmännern und Geheimkonten bei der verdeckten Aufrüstung Israels mit. Auch deutsche Politiker mit guten Beziehungen zum BND, wie Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß, waren zu Diensten. Als sich Anfang der sechziger Jahre herausstellte, dass deutsche Wissenschaftler das ägyptische Raketenprogramm unterstützen, beauftragte der Mossad ein spezielles Einsatzkommando mit Anschlägen auf diese Personen in Deutschland. Der BND griff nicht ein, um die Zusammenarbeit mit dem Mossad nicht zu gefährden. Die geheime Kooperation trug schließlich nicht unwesentlich zum Sieg Israels im Yom-Kipur-Krieg von 1973 bei.
Der BND und der Mossad // Reinhard Gehlen (l. ) leitet von 1942 bis 1945 die Abteilung Fremde Heere Ost. Nach dem Krieg wird er der erste BND-Chef. 1974, Ex-BND-Präsident Reinhard Gehlen bei seiner Anhörung vor dem Guillaume-Untersuchungsausschuss.
Hilfe bei der Aufrüstung Israels // 1963, Franz Josef Strauß (M. ) in Tel Aviv mit den Politikern Shimon Peres (l. ) und Moshe Dayan. 1984, Bundeskanzler Helmut Kohl wird von Regierungschef Yitzhak Shamir in Israel begrüßt.
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