Mittwoch, 24. November 2010

Hitler-Gemälde bei Freud in der Praxis

Der jüdische Psychoanalytiker Sigmund Freud hatte angeblich ein von Hitler gemaltes Bild in seiner Praxis.


Ein Gemälde mit einer bizarren Geschichte wird im März in Großbritannien versteigert. Das Aquarell wurde von Adolf Hitler angefertigt und trägt auf der Rückseite den Namen der Praxis von Sigmund Freud in Wien. Aufgrund dieser Tatsache wird vermutet, dass Freud oder einer seiner Mitarbeiter um 1910 dem sich abmühenden Künstler Hitler eines seiner Gemälde abgekauft hat.

Zu dieser Zeit versuchte der spätere Diktator sich nämlich noch als Maler in Wien. Er verschleuderte selbstgemachte Postkarten und Malereien zu billigen Preisen und versuchte von dem Verdienst zu überleben.

Das sich später in Freuds Praxis wiedergefundene Bild zeigt eine kleine Kirche, die im Hintergrund von Bergen umrahmt ist. Es trägt die Signatur "A Hitler 1910". Auf der Rückseite findet sich diese interessante Notiz: "Studio Medico Sigmund Freud Vienne".

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gemälde von einem amerikanischen GI von Wien nach Italien gebracht. Dieser hatte erfahren, dass es zuvor seinen Platz im Behandlungszimmer des berühmten jüdischen Arztes hatte.

Die Begebenheit lässt nun die Vermutung zu, dass die beiden wohl berühmtesten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts durch dieses Gemälde verbunden waren. Beweisen wird man diesen Umstand wohl nie können, wie auch der Auktionär Richard Westwood-Brookes zugibt: "Wir werden wohl nie mit Gewissheit wissen, ob es Freud gehört hat, aber es erhebt den betörenden Verdacht, dass sich die beiden getroffen haben."

In den 1930er Jahren emigrierte Freud dann aus dem nationalsozialistischen Deutschland nach England, wo er den Rest seines Lebens verbrachte.


http://www.oe24.at/welt/Hitler-Gemaelde-bei-Freud-in-der-Praxis/772621





Hitler und Lenin spielen Schach.
Das Bild wurde von Hitlers jüdischer Kunstlehrerin Emma Löwenstramm, die Zeugin des Spiels war, gemalt.


Zur gleichen Zeit war Stalin in Wien.

Nur hier erinnert noch eine Gedenktafel an den Diktator. Was trieb der Revolutionär aus Georgien in der Donaumetropole? Ein Vorabdruck aus einer neuen Biografie.

In den ersten Jännertagen des Jahres 1913 traf Stalin aus Krakau kommend im zugefrorenen, eingeschneiten Wien bei den Trojanowskis ein. Lenin nannte sie »gute Leute… Sie haben Geld!«. Alexander Trojanowski war ein stattlicher junger Aristokrat und Heeresoffizier. Durch seinen Dienst im russisch-japanischen Krieg war er zum Marxisten geworden, und nun gab er die von ihm finanzierte Zeitschrift Prosweschtschenije (Aufklärung) heraus, die Sossos Essay veröffentlichen sollte (von Freunden und Genossen wurde Stalin »Sosso« gerufen, Lenin hatte ihn beauftragt, einen grundlegenden Aufsatz über Marxismus und die nationale Frage , der Stalins berühmtestes Werk werden sollte, zu verfassen; Anm. d. Red.). Trojanowski beherrschte nicht nur die deutsche, sondern auch die englische Sprache und wohnte mit seiner schönen, ebenfalls von Geburt adligen Frau Jelena Rosmirowitsch in einem großen, bequemen Appartement in der Schönbrunner Schlossstraße 30 (wo sich noch immer eine blaue Gedenktafel aus dem Jahr 1949 befindet). Auf dieser Allee fuhr der alte Kaiser Franz Josef täglich von seiner Residenz im Schloss Schönbrunn zu seinem Büro in der Hofburg und zurück.

Der uralte bärtige Habsburger, der seit 1848 herrschte, benutzte eine vergoldete Kutsche, die von acht weißen Pferden gezogen wurde. Die Karosse war mit Postillionen bemannt, die schwarz und weiß paspelierte Uniformen und weiße Perücken trugen; als Eskorte fungierten ungarische Kavalleristen mit gelbschwarzen Pantherfellen über der Schulter. Stalin dürfte diese Vision überholten Glanzes nicht verpasst haben, und er war nicht der einzige künftige Diktator, der sie gewahrte, denn die Besetzung von Titanen des 20. Jahrhunderts im Wien des Januars 1913 (auch Josip Broz, der spätere Marschall Tito, lebte als Mechaniker hier) würde einem Drama von Tom Stoppard Ehre machen. In einem Männerheim in der Meldemannstraße – in einer anderen Welt, verglichen mit Stalins viel herrschaftlicherer Adresse – wohnte ein junger Österreicher, der sich nicht als Maler durchsetzen konnte: der dreiundzwanzigjährige Adolf Hitler.

Sosso und Adolf teilten sich eine der Sehenswürdigkeiten von Wien. Hitlers bester Freund Kubizek erzählt: »Wir schauten oft zu, wie der alte Kaiser in seiner Kutsche von Schönbrunn zur Hofburg fuhr.« Aber beide künftige Diktatoren waren unbeeindruckt oder reagierten sogar geringschätzig. Stalin erwähnte das Schauspiel nie, und »Adolf machte nicht viel Aufhebens davon, denn er war nicht an dem Kaiser interessiert, nur an dem Staat, den er repräsentierte«.

In Wien waren Hitler und Stalin, wenn auch auf unterschiedliche Art, von Rassenfragen besessen. In dieser Stadt der altertümlichen Höflinge, jüdischen Intellektuellen und rassistischen Hetzer machten die Juden zwar nur 8,6 Prozent der Bevölkerung aus, doch ihr kultureller Einfluss war viel größer. Hitler formulierte die antisemitische völkische Theorie der Rassenvorherrschaft, die er seinem europäischen Reich als Führer aufzwingen sollte. Stalin dagegen, der die Recherchen für seinen Nationalitätenartikel anstellte, entwickelte eine neue Idee für ein internationalistisches Reich mit einer Zentralgewalt hinter scheinbarer Autonomie. Dies war der Prototyp der Sowjetunion. Fast dreißig Jahre später sollten die ideologischen und staatlichen Strukturen der beiden Männer im brutalsten Konflikt der Menschheitsgeschichte aufeinanderprallen.

Die Juden passten in keine der beiden Visionen. Sie stießen Hitler ab und erregten ihn, während sie Stalin, der ihren »mystischen« Charakter angriff, irritierten und verwirrten. Eine zu starke Rasse für Hitler, waren sie keine hinreichend ausgeprägte Nation für Stalin.

Die beiden angehenden Diktatoren hatten in Wien einen Zeitvertreib gemeinsam: Beide gingen gern im Park des kaiserlichen Schlosses Schönbrunn spazieren. Sogar, als sie 1939 durch den Molotow-Ribbentrop-Pakt zu Verbündeten wurden, begegneten sie einander nicht. Wahrscheinlich kamen sie einander nie näher als auf jenen Spaziergängen.

»Die wenigen Wochen, die Genosse Stalin bei uns verbrachte, waren ausschließlich der nationalen Frage gewidmet«, sagt Olga Weiland, das Kindermädchen der Trojanowskis. »Er bezog alle in seiner Umgebung ein.« Trotz seiner periodischen Beschäftigung mit der Sprache konnte Stalin keine deutschen Texte lesen. Also half ihm das Kindermädchen, ebenso wie ein anderer junger Bolschewik, den er nun kennenlernte: Nikolai Bucharin, ein intellektueller Kobold mit funkelnden Augen und einem Ziegenbart. »Bucharin kam jeden Tag in unsere Wohnung«, sagt Olga Weiland. Während Stalin hoffnungsvoll mit dem Kindermädchen flirtete, gab sie dem witzigen, schelmischen Bucharin den Vorzug. Außerdem hatte sie die Aufgabe, Stalins Hemden und Unterwäsche zu reinigen, was, wie sie sich nach seinem Tod beklagte, eine Zumutung war.

Stalin und Bucharin kamen gut miteinander aus. Später korrespondierte Stalin aus der Verbannung mit ihm, und so begann ein Bündnis, das in den späten Zwanzigerjahren in eine politische Partnerschaft mündete. Aber Stalin sollte Bucharin verhängnisvollerweise bewundern und beneiden. Die Freundschaft, die in Wien begann, endete damit, dass Bucharin eine Kugel in den Kopf geschossen wurde.

»Ich saß neben dem Samowar am Tisch in der Wohnung von Skobelow… in der alten Hauptstadt der Habsburger«, schreibt Trotzki, der ebenfalls in Wien wohnte, »als sich die Tür plötzlich nach einem Klopfen öffnete und ein unbekannter Mann eintrat. Er war klein… dünn… Pockennarben bedeckten seine graubraune Haut… Ich sah nicht den geringsten Anflug von Freundlichkeit in seinen Augen.« Es war Stalin, der »am Samowar stehen blieb und sich eine Tasse Tee einschenkte. Dann ging er so leise hinaus, wie er gekommen war, und hinterließ bei mir einen sehr deprimierenden, doch ungewöhnlichen Eindruck. Oder vielleicht warfen die späteren Ereignisse einen Schatten auf unsere erste Begegnung.«

Stalin verachtete Trotzki bereits, den er einen »marktschreierischen Athleten mit falschen Muskeln« genannt hatte. Er sollte seine Meinung nie ändern, während Trotzki durch Stalins gelbe Augen – sie »funkelten vor Bosheit« – ins Frösteln geriet.

Der Aufenthalt bei Trojanowski war eine Offenbarung für Stalin, denn hier machte er, wie er selbst zugab, seine erste und letzte Bekanntschaft mit einer kultivierten europäischen Lebensweise. Er wohnte in dem Zimmer, das auf die Straße hinausblickte, und »arbeitete dort ganze Tage lang«. In der Dämmerung spazierte er mit den Trojanowskis durch Wien und durch den Schönbrunner Park. Beim Essen sprach er manchmal über seine Vergangenheit und über Lado Kezchoweli, der im Gefängnis erschossen worden war. Wie immer machte er einen mürrischen Eindruck. »Hallo, mein Freund«, berichtete er Malinowski, der nach St. Petersburg zurückgekehrt war. »Vorläufig wohne ich noch in Wien und schreibe irgendeinen Blödsinn. Bis bald.« Aber seine Stimmung heiterte sich auf. »Zuerst war er schüchtern und verschlossen«, sagt Olga Weiland, »aber dann entspannte er sich und wurde unterhaltsamer.« Trojanowskis vornehme Art bereitete Stalin kein Unbehagen. Im Gegenteil, er schätzte den Adligen bis ans Ende seines Lebens.

»Die Nationalitätenfrage war unser einziges Konversationsthema«, berichtet Olga Weiland. Aber Stalin verstand sich gut mit der kleinen Galina Trojanowskaja, einem sehr temperamentvollen Kind. »Sie war gern mit Erwachsenen zusammen«, und Stalin spielte häufig mit ihr und versprach, »Berge aus grüner Schokolade aus dem Kaukasus« mitzubringen. Wenn sie ihm keinen Glauben schenkte, »lachte er immer sehr laut«. Aber das Mädchen neckte ihn ebenfalls mit Bemerkungen wie: »Du sprichst dauernd über die Nationen!« Stalin kaufte Galina Bonbons im Schönbrunner Park, und einmal wettete er sogar mit ihrer Mutter, dass das Kind wegen der Süßigkeiten zu ihm laufen werde, wenn sie beide es riefen. Sie überprüften seine Theorie, und Galina rannte zu Sosso, womit sie seine zynische Einschätzung des menschlichen Charakters bestätigte.